Außergewöhnliche Belastungen können Steuer mindern
Private Krankheitskosten können in der Steuererklärung als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden, allerdings nur, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt und Nachweise erbracht werden. Als erstes müssen die Kosten notwendig und angemessen, aber vor allem außergewöhnlich sein. Das sind sie, wenn ein Steuer-pflichtiger zwangsläufig größere Aufwendungen hat, als die überwiegende Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands. Eine weitere Voraussetzung ist die medizinische Indikation. Das bedeutet: Die Aufwendungen müssen zur Heilung oder Linderung einer Krankheit getätigt werden. Kosmetische Behandlungen sind nicht begünstigt. Bei bestimmten Behandlungsmethoden ist sogar ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung nötig. Schon mehrfach musste der Bundesfinanzhof (BFH) entscheiden, ob im Einzelfall auf ein amtsärztliches Gutachten verzichtet werden kann. Kürzlich urteilte er zugunsten einer Steuerpflichtigen.
Finanzamt forderte ein Gutachten
Trotz der Stellungnahmen verschiedener Experten wurden die Kosten für die Operation nicht von der Krankenkasse übernommen. Die Steuerpflichtige wollte die Aufwendungen für die Liposuktion deshalb als außergewöhnliche Belastungen in der Steuererklärung geltend machen. Doch dem Finanzamt reichten die Stellungnahmen der Fachleute nicht aus. Es sah in der Liposuktion eine wis-senschaftlich nicht anerkannte Heilmethode, für die ein amtsärztliches Gutachten bzw. eine Bescheinigung des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung vorzulegen ist.
Finanzgericht und BFH erteilten dieser Auffassung eine Absage
Ihnen reichten die Stellungnahmen der Fachleute als Nachweis für die medizinische Indikation und dafür, dass die Liposuktion keine wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethode ist. Ein amtsärztliches Gutachten war daher entbehrlich. Das Finanzamt muss nun den Steuer bescheid ändern und die Aufwendungen für die Liposuktion als außergewöhnliche Belastung berücksichtigen.
Liposuktion kann Krankheiten lindern
In dem vom BFH entschiedenen Fall litt eine Steuerpflichtige an einem Lipödem. Eine spezialisierte privatärztliche Praxis hatte bestätigt, dass die Erkrankung weder durch Ernährung noch durch Sport positiv zu beeinflussen sei, eine deutliche Einschränkung im täglichen Leben bestehe und eine Schmerzlosigkeit durch konventionelle Behandlungen nicht erreicht werden könne.
Der behandelnde Arzt empfahl deshalb eine Liposuktion (Fettabsaugung) als Therapie. Auch spezialisierte Wissenschaftler bestätigen, dass in einem solchen Fall eine Liposuktion nicht auf eine optische Verschönerung der Patienten, sondern auf die Linderung von Schmerzen sowie die Vermeidung von Folgeerkrankungen zielt. Gleichzeitig wird mit dieser Behandlungsmethode die häufig wir-kungslose und die Patienten erheblich einschränkende und belastende konservative Behandlung reduziert oder gar überflüssig.
Urteilsbegründung ist bemerkenswert
Nach Auffassung des BFH muss nicht (mehr) geprüft werden, ob eine Behandlungsmethode wissenschaftlich anerkannt ist. Vielmehr ist zu prüfen, ob es sich um eine wissenschaftlich nicht anerkannte Methode handelt. Das ist ein kleiner, aber feiner und für Steuerpflichtige nicht unwesentlicher Unterschied, denn damit wird künftig oftmals ein amtsärztliches Gutachten entbehrlich sein.
Eine Behandlungsmethode ist immer dann wissenschaftlich nicht anerkannt, wenn sie auf keinem tragfähigen medizinisch-wissenschaftlichen Konsens gründet, da
- sie von der Mehrheit der Fachleute (Ärzte, Wissenschaftler) nicht befürwortet wird,
- sie sich in der medizinischen Praxis nicht bewährt hat und
- ihre generelle Wirksamkeit und Zweckmäßigkeit äußerst umstritten ist.
Hinweis: Ein besonderer Nachweis durch ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung ist nur noch erforderlich, wenn bei einer Behandlungsmethode die Auswirkung auf die Heilung oder Linderung einer Krankheit regelmäßig nicht messbar ist.