Steuerzins sinkt rückwirkend auf 1,8 Prozent
Nach über sechs Jahren Nullzinspolitik wird der Leitzins im Euroraum voraussichtlich im Sommer erstmals wieder steigen. Eine Anhebung auf 0,25 Prozent gilt als immer wahrscheinlicher. Damit könnten auch Negativzinsen bald ein Ende haben. Guthabenzinsen auf Erspartes sind aber noch nicht in Sicht, zumindest nicht auf Spareinlagen bei Kreditinstituten, wohl aber weiterhin auf Steuererstattungen. Allerdings gibt es nicht mehr 6 Prozent pro Jahr, sondern nur noch 1,8 Prozent.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte vor einem Jahr die hohen Steuerzinsen für Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2014 für verfassungswidrig erklärt und den Gesetzgeber verpflichtet, bis zum 31. Juli 2022 eine verfassungsgemäße Neuregelung zu finden. Der darin verankerte neue Zinssatz soll dabei rückwirkend für alle Verzinsungszeiträume ab 2019 gelten. Das bedeutet: Die bereits für Jahre ab 2019 festgesetzten Zinsen müssen korrigiert werden.
Weichen für verfassungskonformen Steuerzins sind gestellt
Der Bundestag hat am 23.Juni 2022 das Zweite Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung (AO) und des Einführungsgesetzes zur AO verabschiedet. Darin wird die vom BVerfG geforderte rückwirkende Neuregelung des Zinssatzes auf Steuererstattungen und Steuernachzahlungen geregelt. Der Steuerzins sinkt deutlich: Von monatlich 0,5 Prozent auf 0,15 Prozent. Das bedeutet einen Jahreszins von 1,8 Prozent. Der Bundesrat wird dem Gesetz voraussichtlich am 8. Juli 2022 zustimmen, nachdem er bereits signalisiert hatte, gegen den Entwurf keine Einwendungen zu erheben.
Die Höhe des Zinssatzes wurde damit gegenüber der Entwurfsfassung nicht noch einmal geändert, auch wenn manchem die Zinssenkung noch nicht weit genug geht. Die Vorschläge reichten dabei von einem Jahreszins von 1,2 Prozent über einen vorübergehenden Nullzins bis hin zur vollständigen Abschaffung der Verzinsung von Steuernachzahlungen und Steuererstattungen. Allerdings soll alle zwei Jahre geprüft werden, ob dieser Zinssatz noch angemessen ist, erstmals bereits in 2024 und nicht erst 2026, wie es noch der Gesetzentwurf vorsah.
Hinweis: Stundungs-, Hinterziehungs- und Aussetzungszinsen sind von der Neuregelung nicht betroffen. Hier bleibt es zunächst weiterhin beim Zinssatz von 0,5 Prozent pro Monat (bzw. 6 Prozent pro Jahr). Zwar sollte nach dem Referentenentwurf auch geprüft werden, ob weitere Maßnahmen bei der Verzinsung oder auch bei Säumniszuschlägen erforderlich sind. Hier bleibt abzuwarten, ob das Jahressteuergesetz 2023 oder ein anderes Steueränderungsgesetz dazu eine Neuregelung enthalten wird.
Wie geht es weiter?
Sobald der Bundesrat dem Gesetzentwurf zugestimmt hat, wird das Gesetz dem Bundespräsidenten zur Unterschrift vorgelegt und im Bundesgesetzblatt veröffentlicht, damit es planmäßig bis zum 31. Juli 2022 in Kraft treten kann. Danach sind die Finanzämter am Zuge. Sie müssen Zinsbescheide rückwirkend ändern.
Zinsbescheide bis einschließlich 2018
Zinsbescheide für Zeiträume vor dem 1. Januar 2019 bleiben bestandskräftig, auch wenn der Zinssatz schon ab 2014 als verfassungswidrig eingestuft wurde. Der Fiskus darf die rechtswidrigen Nachzahlungszinsen behalten. Wer dagegen Erstattungszinsen in Höhe von 6 Prozent erhalten hat, darf sich freuen, denn er muss nichts zurückzahlen.
Zinsbescheide für Zeiträume ab 2019
Zinsbescheide über Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2019 müssen nach Inkrafttreten des Gesetzes geändert werden. Diese Anpassungen wird die Finanzverwaltung von Amts wegen vornehmen. Dazu wird es mit ziemlicher Sicherheit auch noch ein erläuterndes Schreiben des Bundesfinanzministeriums (BMF) geben. Wurden bisher 6 Prozent Nachzahlungszinsen festgesetzt, muss eine neue Festsetzung mit einem Zinssatz von 1,8 Prozent erfolgen und es wird nachträglich zu einer Erstattung kommen. Wer beispielsweise auf eine Steuernachzahlung von 10.000 Euro für 2 Jahre Zinsen zahlen musste, also 1.200 Euro, erhält 840 Euro zurück.
Hinweis: Freuen können sich diejenigen, die 6 Prozent Erstattungszinsen erhalten haben. Aus Vertrauensschutzgründen müssen diese nicht zurückgezahlt werden.
Zinsfestsetzungen nach dem Urteil des BVerfG
Nach Veröffentlichung des Urteils des BVerfG hat das BMF die Finanzverwaltung angewiesen, alle künftigen Zinsfestsetzungen vorläufig auszusetzen. Das bedeutet, dass Zinsbescheide bis zur Neuregelung mit null Euro und einem entsprechenden Vorläufigkeitsvermerk festgesetzt wurden. Auch in diesen Fällen muss die Finanzverwaltung handeln und die Zinsen neu festsetzen – mit dem neuen Zinssatz von 1,8 Prozent. Damit müssen entweder Zinsen nachgezahlt werden oder es kommt zu einer Erstattung.
Hinweis: Da zunächst die technischen Möglichkeiten geschaffen werden müssen, wird es noch etwas dauern, bis die bisherigen Zinsfestsetzungen durch die Finanzverwaltung gemäß der Neuregelung geändert werden können.
Steuerlicher Zinslauf beginnt später
Neben dem abgesenkten Zinssatz gibt es noch eine zweite gute Nachricht. Der steuerliche Zinslauf beginnt coronabedingt später. Bereits für Steuerfestsetzungen für den Veranlagungszeitraum 2019 wurde die zinsfreie Karenzzeit von normalerweise 15 Monaten verlängert. Der Zinslauf für 2019 hat damit erst am 1. Oktober 2021 begonnen. Für Steuerfestsetzungen für 2020 beginnt er erst am 1. Oktober 2022, für Steuerfestsetzungen für 2021 am 1. Oktober 2023 und für Steuerfestsetzungen für 2022 erst am 1. September 2024. Bei land- und forstwirtschaftlichen Unternehmern beginnt der Zinslauf sogar jeweils noch 8 Monate später.