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Zuordnung zur ersten Tätigkeitsstätte muss eindeutig sein

Bundesfinanzhof bestätigt Regelungen im BMF-Schreiben zum Reisekostenrecht
Zuordnung zur ersten Tätigkeitsstätte muss eindeutig sein
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29.11.2023 — zuletzt aktualisiert: 06.12.2023

Zuordnung zur ersten Tätigkeitsstätte muss eindeutig sein

Bundesfinanzhof bestätigt Regelungen im BMF-Schreiben zum Reisekostenrecht

Für viele Menschen ist ganz eindeutig, wo sich ihre Arbeitsstätte befindet. Sie fahren ins Büro oder in die Schule, ins Krankenhaus oder in den Supermarkt, um dort ihre berufliche Tätigkeit auszuüben. Doch nicht immer ist es ganz so einfach oder eindeutig, wie z. B. für Bauleiter oder andere Arbeitnehmer, die ihre Tätigkeit an verschiedenen oder regelmäßig wechselnden Orten ausüben. Finanzverwaltung und Rechtsprechung haben daher über die Jahre Kriterien festgelegt, um die sogenannte „erste Tätigkeitsstätte“ bei Arbeitnehmern zu bestimmen. Im Einzelfall kann die Festlegung ob es eine solche erste Tätigkeitsstätte überhaupt gibt und wo diese ist, schwierig sein, wie der Fall des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 14. September 2023 (VI R 27/21) zeigt.

Der Steuerpflichtige war in den Streitjahren als Bauleiter bei einem international tätigen Bauunternehmen beschäftigt. Das Unternehmen unterhielt auch mehrere inländische Niederlassungen, unter anderem in einer Stadt in der Nähe des Wohnortes des Steuerpflichtigen. Nach § 1 des Arbeitsvertrags des Steuerpflichtigen war sein „Einstellungsort“ in dieser Stadt. Ihm stand in den Streitjahren ein Firmenwagen auch zur privaten Nutzung zur Verfügung. In den Lohnabrechnungen berücksichtigte das Bauunternehmen im Rahmen der Nutzung des Firmenwagens für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte die sogenannte 0,03 %-Regelung zur Ermittlung des steuerpflichtigen geldwerten Vorteils.

In den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre machte der Steuerpflichtige bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit unter anderem Werbungskosten für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte geltend. Außerdem setzte er Verpflegungsmehraufwendungen für Arbeitstage mit einer Abwesenheit von mehr als acht Stunden an.

Das Finanzamt erkannte die Verpflegungsmehraufwendungen für ein Streitjahr nicht an. Den Werbungskostenabzug in Höhe der Entfernungspauschale berücksichtigte das Finanzamt hingegen erklärungsgemäß. Für zwei weitere Streitjahre setzte das Finanzamt die Verpflegungsmehraufwendungen demgegenüber wie erklärt an, kürzte dafür aber die Entfernungspauschale. Der Steuerpflichtige legte gegen die Einkommensteuerbescheide für alle Streitjahre Einsprüche ein, mit denen er unter anderem geltend machte, er habe gar keine erste Tätigkeitsstätte gehabt. Demzufolge seien die Verpflegungsmehraufwendungen anzuerkennen. Ebenso sei der Bruttolohn um den geldwerten Vorteil des Firmenwagens für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte zu kürzen. Auf den Ansatz der Entfernungspauschale verzichtete der Steuerpflichtige dementsprechend.

Zuordnungsentscheidung des Arbeitgebers für erste Tätigkeitsstätte

Das Finanzgericht und auch der BFH gaben dem angestellten Bauleiter Recht. Ein Arbeitnehmer kann je Dienstverhältnis zwar mehrere Tätigkeitsstätten, aber höchstens eine erste Tätigkeitsstätte, ggf. aber auch keine erste, sondern nur auswärtige Tätigkeitsstätten haben. Die Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte erfolgt vorrangig anhand der dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen durch den Arbeitgeber. Sind solche nicht vorhanden oder sind die getroffenen Festlegungen nicht eindeutig, werden hilfsweise quantitative Kriterien herangezogen. Voraussetzung ist zudem, dass der Arbeitnehmer in einer ortsfesten Einrichtung dauerhaft tätig werden soll. Ein Arbeitnehmer ohne erste Tätigkeitsstätte ist außerhalb seiner Wohnung immer auswärts tätig.

Die Zuordnung eines Arbeitnehmers zu einer betrieblichen Einrichtung allein aus organisatorischen Gründen (z. B. Personalaktenführung), ohne dass der Arbeitnehmer in dieser Einrichtung tätig werden soll, ist keine Zuordnung. Soll der Arbeitnehmer in einer vom Arbeitgeber festgelegten Tätigkeitsstätte zumindest in ganz geringem Umfang tätig werden, kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer dieser Tätigkeitsstätte zuordnen. Auf die Qualität des Tätigwerdens kommt es, anders als bei der Bestimmung anhand der quantitativen Zuordnungskriterien nicht an. So kann schon das Abholen von Dienstplänen, gelegentliche Meetings oder das Abgeben von Krankmeldungen und Urlaubsanträgen ausreichen.

Im Streitfall sagte der Vorgesetzte des Steuerpflichtigen aus, das Unternehmen habe den Steuerpflichtigen nicht dem Gebäude der Niederlassung zugeordnet. Dies ergebe sich auch nicht aus der Angabe des Einstellungsorts im Arbeitsvertrag des Steuerpflichtigen. Die Klausel bedeute lediglich, dass der Bauleiter einem Gruppenleiter in der betreffenden Stadt zugeordnet beziehungsweise unterstellt sei. Weitere Festlegungen über Anwesenheitszeiten im Büro oder an anderen Arbeitsorten seien arbeitsvertraglich nicht getroffen worden. Der Steuerpflichtige war der Niederlassung vielmehr lediglich aus organisatorischen Gründen zugeordnet, ohne dass damit auch eine Festlegung des Tätigkeitsorts verbunden war. Haben die Arbeitsvertragsparteien davon abgesehen, den Steuerpflichtigen einer betrieblichen Einrichtung durch (ausdrückliche schriftliche oder mündliche) Festlegungen, Absprachen oder Weisungen zuzuordnen, ergibt sich eine Zuordnung durch schlüssiges Verhalten entgegen der Ansicht des Finanzamtes nicht allein aufgrund der Tatsache, dass der Steuerpflichtige einzelne, zu seinem Berufsbild gehörende Tätigkeiten in einer bestimmten betrieblichen Einrichtung seines Arbeitgebers erbringt oder erbringen muss. Für den BFH ergab sich daher, dass keine arbeitsrechtliche Festlegung einer ersten Tätigkeitsstätte erfolgt war.

Quantitative Kriterien ebenfalls prüfen

Fehlt es an einer dauerhaften Zuordnung des Arbeitnehmers zu einer betrieblichen Einrichtung durch eine arbeitsrechtliche Festlegung, ist dennoch von einer ersten Tätigkeitsstätte an der betrieblichen Einrichtung auszugehen, wenn der Arbeitnehmer dort typischerweise arbeitstäglich oder je Arbeitswoche zwei volle Arbeitstage oder mindestens ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit dauerhaft tätig werden soll. Bei der quantitativen Zuordnung muss der Arbeitnehmer an der betrieblichen Einrichtung seine eigentliche berufliche Tätigkeit ausüben. Allein ein regelmäßiges Aufsuchen der betrieblichen Einrichtung, z. B. zur Abgabe von Auftragsbestätigungen und Stundenzetteln, Krankmeldungen und Urlaubsanträgen führt hier noch nicht zu einer Qualifizierung der betrieblichen Einrichtung als erste Tätigkeitsstätte.

Nach den für den BFH bindenden Feststellungen des Finanzgerichts sind diese quantitativen Kriterien im Fall des Bauleiters nicht erfüllt, da dieser typischerweise auf wechselnden Baustellen tätig war und nur selten das Büro aufsuchte.

Kein geldwerter Vorteil ohne erste Tätigkeitsstätte

Mangels erster Tätigkeitsstätte war der geldwerte Vorteil der Firmenwagennutzung durch den Bauleiter bezüglich der Fahrten zwischen Wohnung und Büro zu korrigieren. Ebenso waren die Verpflegungsmehraufwendungen anzuerkennen, da der Bauleiter außerhalb seiner Wohnung immer auswärts tätig war. Folgerichtig wurde jedoch die ursprünglich angesetzte Entfernungspauschale nicht zum Werbungskostenabzug zugelassen.

Fazit
Steuerpflichtige und Arbeitgeber sollten bei der Beurteilung steuerlicher Sachverhalte wie Firmenwagenbesteuerung zunächst die qualitativen und quantitativen Kriterien zum Vorliegen einer ersten Tätigkeitsstätte prüfen. Vorliegend war es steuerlich vorteilhaft, dass der Arbeitgeber keine Zuordnung zu einer ersten Tätigkeitsstätte vorgenommen hatte. Für Arbeitnehmer, die an mehreren Tätigkeitsstätten, z. B. verschiedenen Filialen oder Niederlassungen eines Unternehmens regelmäßig tätig sind, kann es dagegen vorteilhaft sein, wenn eine Zuordnungsentscheidung getroffen wird.

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